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Re: Was bedeutet Phasenlage

Verfasst: Mo 24. Jul 2006, 13:20
von Inder-Nett
In der Realität (d.h. bei Berücksichtigung aller Oberwellen eines Rechteck-Signales) sehen Eingangsspannung (blau) und Ausgangsspannung (rot) des o.g. Tiefpasses (bei Verwendung der gleichen Zeit/Amplituden-Skala und der gleichen Frequenz) ungefähr wie folgt aus:
Bild
tiyuri hat geschrieben:Ein Verstärker samt Lautsprecher ist ein (gedämpfter) Oszillator.
8O :? :roll: Häää?
Ein positiv rückgekoppelter Verstärker ergibt einen Oszillator, diese Tatsache umzukehren macht keinen Sinn und ist für dieses Thema auch nicht ganz relevant.

Wenn wir zurück zum Vierpolverhalten unseres oben erwähnten Tiefpasses kommen... dann entspricht die Ua/Ui-Kennlinie ziemlich exakt dem Zweipol-Verhalten (I/U-Kennlinie) einer induktiven Last (z.B. Lautsprecher).

Bei einer etwas höheren Frequenz und entsprechender Dehnung der Achsen wird das Problem mehr als deutlich:
Bild
Blau wäre jetzt die Ausgangsspannung am Verstärker, rot der Stromfluss durch die Box.
In den grün eingezeichneten Bereichen fließt der Strom genau invers zur Spannung...
Bei Gegentakt-Endstufen im AB-Betrieb heisst das, dass z.B. in der ersten Phase, der Endstufentransistor für die negative Halbwelle noch offen bleiben muss, um den durch die induktive Last erzungenen Laststrom abzuleiten, obwohl eigentlich die Ausgangsspannung durch den Transistor für die positive Halbwelle zu erzeugen wäre...
Erst beim Nulldurchgang am Ende dieser Phase geht der Laststrom an den anderen Transistor über.
Diese Übergabe kann (je nach Auslegung der Endstufe) Störungen oder Verzerrungen verursachen.

Wenn in dieser Phase eine überlagerte Schwingung verstärkt werden muss, dann können natürlich auch zwischenzeitlich Störungen oder Verzerrungen der überlagerten Schwingung auftreten.

... und in meinen Messungen sieht man sogar, was bei einem Verstärker mit zu geringem Dämpfungs-Faktor passiert:
Die Kurvenform der Ausgangsspannung wird durch die Last verformt.
Die Abweichungen von einer idealen Rechteck-Schwingung (blau) ist ein Resultat der Belastung des Ausganges des Generators durch das RC-Glied und durch die Mess-Leitungen...

Edit: "Fragwürdige" Kritik an tiyuris Beitrag entfernt.

Verfasst: Mo 24. Jul 2006, 17:33
von tiyuri
Inder-Nett hat geschrieben:tiyuri hat sich viel Mühe gegeben, diskutiert aber leider etwas an der ursprünglichen Fragestellung vorbei, denn er diskutiert Vierpole, bei der Betrachtung von Phasenproblemen zwischen Lautsprecher und Verstärker geht es aber um Zweipol-Theorie.
Ich habe nicht nur die Grundlagen unseres Elektronikpraktikums genau gelesen,
sondern auch den Beitrag des Themenerstellers. Dabei habe ich bestimmte
Aussagen dessen zitiert und illustriert, nicht diskutiert!
Inder-Nett hat geschrieben:Hier haben wir kein Bode-Diagramm, sondern Betrag und Phase des Frequenzganges als Funktion der Frequenz.
Das Bode-Diagram stellt Betrag als Funktion der Phase dar und ist gewöhnlich ein Kreis-Diagramm.
In dieser Aussage wurden die beiden Darstellungsarten leider verwechselt.
Zudem ist eine Ortskurvendarstellung der komplexe Frequenzgang
in Abhängigkeit der Betrag und Phase!
fh-friedberg.de hat geschrieben:Während man bei der Ortskurvendarstellung den Frequenzgang nach Betrag und Phase in einem
einzigen Diagramm in der Gaußschen Zahlenebene darstellt, werden im Bode-Diagramm der
Betrag der Übertragungsfunktion H(f) und der Verlauf des Phasenwinkels Phi(f) in zwei getrennten
Diagrammen als Funktion der Frequenz
aufgetragen.
Hier ein kleiner Auszug aus unserem EP-Skript:

Bild

Inder-Nett hat geschrieben:Und ausserdem hätte man schon hier stutzig werden sollen, wieso unser Tiefpass erster Ordnung eine negative Phasenverschiebung produzieren soll (wo wir doch wissen sollten, dass dies ein Privileg des Hochpasses ist 8) ).
Die Funktion f(t)=sin(w t) hat einen Nulldurchgang im Ursprung, das erste Maximum bei pi/2 usw.
Die Funktion f(t)=sin(w t - phi) hat ihren Nulldurchgang phi/(2pi f) später (Maximum entsp.).
(Frequenz=1Hz)
Bild
Das Argument w t - phi wird erst wieder Null, wenn t = phi/w.
Das bedeutet, dass eine verspätete Sinuskurve ein phi < 0 hat.
(Man beachte natürlich die Periodizität bitte!)
Inder-Nett hat geschrieben:Der Tiefpass "antwortet" mit einem verfrühten Überschwingen, sieht ganz so aus, als sei nur die (fehlerhafte) Phase, aber nicht der Betrag der Übertragungsfunktion berücksichtigt worden.
Interessant zu lesen was nicht ersichtlich ist und wie man selbst nicht gelesen wird:
tiyuri hat geschrieben:Mithilfe der Gleichung für die Phase kann nun die jeweilige Phasenlage der einzelnen
Schwingungen berechnet werden. Ohne die Amplitude zu verrechnen, sähe das
Pseudorechteck dann so aus: ...
Wenn auch interessant, ist das ohne die Berücksichtigung der Verkleinerung
der Amplitude lediglich ein Darstellungstrick.
(In den drei weiteren Diagrammen sind Betrag und Phase natürlich verrechnet.)

Inder-Nett hat geschrieben:In der Realität sehen Eingangsspannung (blau) und Ausgangsspannung (rot) des o.g. Tiefpasses (bei Verwendung der gleichen Zeit/Amplituden-Skala und der gleichen Frequenz) ungefähr wie folgt aus:
Bild
Man vergleiche diese Abbildung bitte mit dem bereits zuvor gezeigtem Diagramm:
Bild
Die Welligkeit des Plateaus im zweiten Bild ist auf die vergleichsweise geringe Anzahl
der Oberwellen zurückzuführen. In beiden wird die linke obere Kante verrundet.
Die Ecken des Rechecksignals werden zunehmend von den Oberwellen geformt. Da
jene allerdings eine zunehmende Phasenverschiebung und Betragsabnahme erleiden,
entsteht diese windschiefe Rundung.

Es scheint mir fast so, als würden sich oftmals die gravierendsten Denkfehler in der Mathematik,
bzw. deren Anwendung, auf einfache Vorzeichenfehler zurück führen lassen!
Inder-Nett hat geschrieben:
tiyuri hat geschrieben:Ein Verstärker samt Lautsprecher ist ein (gedämpfter) Oszillator.
8O :? :roll: Häää?
Ein positiv rückgekoppelter Verstärker ergibt einen Oszillator, diese Tatsache umzukehren macht keinen Sinn und ist für dieses Thema auch nicht ganz relevant.
Ein schwingungsfähiges System muss nicht zwangsläufig von alleine Schwingen,
wie z.B. erregte Pendel etc. Die meisten Schwinger sind gedämpft.

Verfasst: Mo 24. Jul 2006, 19:27
von Inder-Nett
tiyuri ...(fh-friedberg.de) hat geschrieben:Während man bei der Ortskurvendarstellung den Frequenzgang nach Betrag und Phase in einem
einzigen Diagramm in der Gaußschen Zahlenebene darstellt, werden im Bode-Diagramm der
Betrag der Übertragungsfunktion H(f) und der Verlauf des Phasenwinkels Phi(f) in zwei getrennten
Diagrammen als Funktion der Frequenz
aufgetragen.
Ja, da war mir was durcheinander geraten, ich meinte eigentlich die Ortskurve, Bode-Diagramm ist nix als die Darstellung von Betrag und Phase über eine logarithmische Frequenzskala... insofern hattest Du Recht.

Meine Antwort bzgl. der Diagramme entspringt einer irgendwie unvollständigen Anzeige Deines Beitrages, macht auch nicht so richtig Sinn, wenn man Deinen Beitrag vollständig sieht... weiss auch nicht was da schief gelaufen ist, werde mein Geschreibsel wohl nochmal überarbeiten...
tiyuri hat geschrieben:Hier ein kleiner Auszug aus unserem EP-Skript:
...
Die Funktion f(t)=sin(w t - phi) hat ihren Nulldurchgang phi/(2pi f) später
...macht die Quelle der Verwirrung deutlich.
Phi steht hier nicht für die Phasenverschiebung, sondern für den Korrekturwert in der Übertragungsfunktion (der natürlich gerade den negativen Wert der Phasenverschiebung hat).

Dies wäre allerdings nur richtig, wenn Du die Übertragungsfunktion als
y = f(ωt + φ)
definiert hättest, denn nur dann ergibt sich bei negativem phi eine Verschiebung der Phasenlage nach hinten.

Das ist nicht Dein Fehler, das wird in den verschiedensten Quellen so verwendet, auch wenn es (zumindest in meinen Augen) nicht unbedingt logisch erscheint...
tiyuri hat geschrieben:Es scheint mir fast so, als würden sich oftmals die gravierendsten Denkfehler in der Mathematik,
bzw. deren Anwendung, auf einfache Vorzeichenfehler zurück führen lassen!
...oder durch ungenügende oder unsaubere Definition der verwendeten Begriffe/Abkürzungen...

Gerade die Phase (das Mist-φ) wird (je nach Quelle) unterschiedlich angegeben und unterscheidet sich natürlich dann im Vorzeichen.

Verfasst: Mo 24. Jul 2006, 21:04
von Candida
"les grands esprits se rencontrent"
kann man da nur sagen und das ist in keinster Weise ironisch gemeint, Respekt !

Verfasst: Mo 24. Jul 2006, 21:15
von Sirarokh
Ugh!

Jungs, ihr überholt mich. Aber ich glaube irgendwo da oben habe ich einen Satz fast verstanden :lol:

Nein, im Ernst. Das wird mir zu hoch. Manches kann ich noch nachvollziehen aber speziell das Formelwirrwarr habe ich eigentlich seit dem Abi ad acta gelegt. (Auch wenn ich es wohl für ein "Hörtechnik und Audiologie"-Studium brauchen werde, oder?)

Ansonsten: Respekt. So viel Kompetenz hatte ich nicht erwartet. Morgen werde ich mal versuchen noch ein wenig mehr zu verstehen :wink:

Verfasst: Di 25. Jul 2006, 02:33
von tiyuri
Inder-Nett hat geschrieben:Phi steht hier nicht für die Phasenverschiebung, sondern für den Korrekturwert in der Übertragungsfunktion (der natürlich gerade den negativen Wert der Phasenverschiebung hat).

Dies wäre allerdings nur richtig, wenn Du die Übertragungsfunktion als
y = f(?t + ?)
definiert hättest, denn nur dann ergibt sich bei negativem phi eine Verschiebung der Phasenlage nach hinten.

Das ist nicht Dein Fehler, das wird in den verschiedensten Quellen so verwendet, auch wenn es (zumindest in meinen Augen) nicht unbedingt logisch erscheint...
Eigentlich sollte außer Frage stehen, dass der Betrag & die Phase hier nichts weiter
als zwei andere Koordinaten sind, um die Komplexe Größe Ua/Ue darzustellen!

Allerdings definieren Mathematiker & Physiker die entsprechende Transformation
positiv (wie unten gezeigt) und ich glaube die Elektrotechniker mit e^-i phi !
Daher wahrscheinlich die ganzen Missverständnisse. Die Ergebnisse, also Inder-Netts
Messung und meine Rechnung ergeben in den Diagrammen ja auch das gleiche. ;-)

In meinem ersten Beitrag ersparte ich mir die einfache Umformung aufgrund der Länge,
da aber jene anscheinend Schwierigkeiten bereitet, zeige ich kurz die Transformation.

Rein mathematisch sieht das ganze recht harmlos aus:
Bild
Zunächst müssen wir unsere Funktion Ua/Ue erst so umformen,
dass wir den Real- & Imaginärteil ablesen können. Dazu erweitert
man den Bruch so, dass der Nenner rein real wird:

Bild

Im Imaginärteil erkennt man bereits ein Minus, welches quasi für die negativen Phasen sorgt.
Nun müssen wir Betrag & Phase nach dem obigen Kochrezept ausrechnen:

Bild

Da der Arcustangens eine ungerade Funktion ist, kann das Minus aus dem Argument vor die
Funktion gezogen werden, wie im letzten Schritt gezeigt. Wie schon zuvor, ist der Phasenwinkel
Phi (der Winkel in der Euler'schen Schreibweise einer komplexen Größe) des Tiefpasses negativ.
Sirarokh hat geschrieben:Morgen werde ich mal versuchen noch ein wenig mehr zu verstehen :wink:
Du kannst ja auch einfach nachfragen, wenn etwas unklar ist. ;-)
Ich wollte ürsprünglich nur deinen weitesgehend korrekten Überlegungen etwas Bild- & Beispielhaftes geben.

Kann mir bitte noch jemand sagen was folgendes bedeutet? :oops:
Candida hat geschrieben:"les grands esprits se rencontrent"

Verfasst: Di 25. Jul 2006, 13:31
von Kaddel64
tiyuri hat geschrieben:Kann mir bitte noch jemand sagen was folgendes bedeutet? :oops:
Candida hat geschrieben:"les grands esprits se rencontrent"
"Die großen Geister begegnen sich..." :wink:

Verfasst: Di 25. Jul 2006, 14:04
von Candida
Geist im Sinne von klugen Köpfen, nicht Gespenster :lol:

Verfasst: Di 25. Jul 2006, 16:39
von Sirarokh
Tja, mit den Diagrammen kam ich eigentlich gut klar, aber sobald es mit den Formeln losging fehlten mir die Hälfte der Variablen. Was aber auch nicht weiter schlimm ist.

Sehe ich das richtig, dass bei manch ein Lautsprecher der Strom gewissermaßen "träger" reagiert als die Spannung und dadurch der Spannung hinterherhinkt (und bei extremen Spannungssteigungen (bsp. Rechtecksspannung) entsprechend z.T. ein gegenteiliges Vorzeichen haben kann). Ist das die eigentliche Erklärung für phasenverschobene Ströme oder ein zusätzlicher Effekt dazu?

Verfasst: Di 25. Jul 2006, 21:50
von BlueDanube
Sirarokh hat geschrieben:Sehe ich das richtig, dass bei manch ein Lautsprecher der Strom gewissermaßen "träger" reagiert als die Spannung und dadurch der Spannung hinterherhinkt
Ja, genauer gesagt reagiert eine Spule immer so - die Frage ist nur wie stark.
Bei Kondensatoren (zB. in der Frequenzweiche) ist es genau umgekehrt - die Spannung eilt dem Strom nach.

Der Effekt hängt immer von der Dimensionierung der Bauteile und der Frequenz ab.
Weiters wirken sich mechanische Eigenschaften des Lautsprechers in derartigen Effekten aus.