Klar, aber die mathematisch physikalisch korrekte Verwendung von φ (phi) als (edit: Winkel des Vektors aus Real- und) Imaginärteil der komplexen Übertragungsfunktion entbehrt für den praktisch veranlagten Techniker einer gewissen Anschaulichkeit, weil ein negatives phi einer (positiven) Phasenverschiebung = Verzögerung entspricht.tiyuri hat geschrieben:Eigentlich sollte außer Frage stehen, dass der Betrag & die Phase hier nichts weiter
als zwei andere Koordinaten sind, um die Komplexe Größe Ua/Ue darzustellen!
Solche Probleme sind in der Elektronik nichtmal allzu selten...
Und in meinen Augen ist all der schöne (und durchaus korrekte) Formel-Apparat recht wenig wert, wenn die praktische Bedeutung der Ergebnisse im Unklaren bleibt...
Daher mein Einwand, der in der ersten Fassung zugegebenermaßen etwas zu provokant formuliert war (aber da nehmen wir uns wohl nichts

Damit bist Du nicht allein. Gerade der Zusammenhang zwischen Theorie (vor allem höhere Mathematik) und Praxis ist häufig auch nurnoch sehr schwer (oder mit sehr viel Aufwand) zu vermitteln...Sirarokh hat geschrieben:Tja, mit den Diagrammen kam ich eigentlich gut klar, aber sobald es mit den Formeln losging fehlten mir die Hälfte der Variablen.
Genau DAS ist die eigentliche Erklärung für phasenverschobene Ströme, wobei das Problem der unterschiedlichen Polarität von Spannung und Strom bei jeder beliebigen Phase φ ≠ 0 und bei jeder beliebigen Kurvenform auftritt.Sirarokh hat geschrieben:Sehe ich das richtig, dass bei manch ein Lautsprecher der Strom gewissermaßen "träger" reagiert als die Spannung und dadurch der Spannung hinterherhinkt (und bei extremen Spannungssteigungen (bsp. Rechtecksspannung) entsprechend z.T. ein gegenteiliges Vorzeichen haben kann). Ist das die eigentliche Erklärung für phasenverschobene Ströme oder ein zusätzlicher Effekt dazu?
Der Bereich vor/nach dem Nulldurchgang ist immer kritisch!
Genau DAS ist auch der Grund, weshalb man Gegentakt-Endstufen im AB-Betrieb (d.h. mit einem vergleichsweise hohen Ruhestrom) baut. An rein ohmschen Lasten (wenn also der Strom immer gleichphasig zur Spannung fließt) würde selbst eine Class B Endstufen (d.h. Gegentakt mit minimalem Ruhestrom) völlig sauber arbeiten.
Lautsprecher sind aber komplexe Lasten, in manchen Frequenzbereichen überwiegt die induktive Last, in anderen wiederum die kapazitive. Je mehr Wege und je flankensteiler die Filter, desto höher der Anteil an komplexer Last.
Man spricht hier von Blindlast (das Gegenteil von Wirklast), weil ein Strom, der gegenphasig zur Spannung fließ auch keine Wirkleistung erzielen kann.
Eine Gegentakt-Endstufe muss nun dafür sorgen (z.B. über höheren Ruhestrom oder Gegenkopplung), dass die Leistungszweige für beide Halbwellen zu jedem Zeitpunkt ihren Teil der Last verzerrungsfrei abfangen können.
Und genau an dieser Stelle liegt z.B. auch der wunde Punkt von AVRs oder kleinen Chip-Amps.
Hoher Ruhestrom heisst nämlich: hohe Verlustleistung, mit 7 Endstufen in einem passiv gekühlten Gehäuse sind da einfach physikalische Limits gesetzt.
Stärkere Gegenkopplung kann das Problem lindern, dann kommen aber (insbesondere bei sehr kritischen Boxen) plötzlich andere Probleme (z.B. "Kabelklang") in's Spiel.
Und was noch dazu kommt: Die von der Box konsumierte Blindleistung (die sich also in Kondensatoren und Spulen der Box wirkungslos verläuft) erzeugt in der Endstufe die gleiche Verlustleistung!
Und so kommt es dann, dass an bestimmten Boxen (wir hatten diese Diskussion bereits bzgl. einer 4-Wege-Box) unterschiedliche Endstufen und unterschiedliche Kabel tatsächlich hörbare Klangunterschiede produzieren können, während diese Effekte z.B. an einer Nubert-Box überwiegend unterhalb der Hörbarkeitsschwelle liegen sollten.
Nachsatz:
Wer dieses Problem verstanden hat wird auch schnell verstehen, dass das "Bi-Amping" mit einem AVR bei genauerer Betrachtung völlig idiotisch ist.
Im Übernahme-Bereich der Frequenzweichen kann man sehr schön beobachten, wie sich die Blindlast-Anteile der beiden Zweige gegenseitig kompensieren. Durch Auftrennung und "Bi-Amping" steigt in beiden Zweigen der Blindlast-Anteil, d.h. beide Zweige sind jetzt für die diesbezüglich ohnehin sensiblen Endstufen des AVRs wesentlich kritischer, dadurch steigt (bei gleicher Ausgangsleistung) auch die Gesamt-Verlustleistung! Und die Pegelfestigkeit ist auch nicht höher, weil beide Endstufen noch immer das volle Spektrum verstärken müssen und das gemeinsame Netzteil (als limitierender Faktor) auch noch höher belastet wird.