wenn wir wieder in den Juristentalk einsteigen, muss ich ja mitmachen ...

Zweimal Widerspruch:
Das Grundgesetz ist eine Verfassung. Egal wie ich das nenne. Die Unterscheidung ist eine rein terminologische, das Grundgesetz erfüllt alle Anforderungen an eine Verfassung. Es ist auch nicht notwendig, dass eine Verfassung mittels Referendum in Kraft gesetzt wird. Wichtig ist, dass das über demokratische Mechanismen erfolgt, was 1948 durch die Verabschiedung im Parlamentarischen Rat meines Erachtens der Fall war. Die amerikanische Verfassung wurde übrigens auch von einer Delegiertenversammlung erarbeitet und dann von den Regierungen der Bundesstaaten ratifiziert. Kein Nachteil also, auch wenn manche Absonderlichkeiten wie "The Right to bear arms" drinstehen. Zu 1990: Ich hätte vieles am Zusammenschluss zwischen DDR und BRD anders gemacht. Aber das Grundgesetz, das sich bewährt hat, nicht anzugreifen, halte ich für total richtig.Weyoun hat geschrieben:Wir haben ein Grundgesetzt aber KEINE Verfassung, auch wenn das Grundgesetz im großen und ganzen den Charakter einer Verfassung besitzt. Der Knackpunkt: Es wurde Nicht vom Volk in einem Referendum ratifiziert. Zudem sollte es nicht einen neuen deutschen Nationalstaat begründen, sondern zunächst nur aus den drei westlichen Besatzungszonen ein einheitliches Staatsgebiet machen, also nur einen westdeutschen Staat begründen.1990 hätte man mit der Wiedervereinigung einen Schlussstrich ziehen können und für den "neuen" wiedervereinten Staat endlich eine Verfassung ausarbeiten können und vom Volk ratifizieren lassen können. Leider ist das nicht geschehen. Ob das nun auf Druck der alten Besatzungsmächte geschah oder ob sich die damaligen Politiker außerstande sahen bzw. zu bequem dazu waren, kann ich nicht sagen.Jedenfalls würde Deutschland eine ECHTE Verfassung ganz gut zu Gesicht stehen. Vielleicht würde das ja auch die Politikverdossenheit ein wenig mildern.
Ich halte die Argumentation für konsequent, aber auch für gefährlich. Zum einen, weil die Rolle des EU-Parlaments kontinuierlich gestiegen ist und es uns allen gut zu Gesicht stehen würde, wenn aus dem Europaparlament ein echtes Parlament würde, das die Politik der Kommission überwacht und dort auch mehr Einflussmöglichkeiten hat. Dann wäre die Sperrklausel ja wieder relevant. Zum anderen könnte man weiter argumentieren und mit ähnlichen Argumenten auch die 5%-Klausel im Bundestag zu Fall bringen. Insofern finde ich es schade, dass das Gericht dort ohne Not und mit einer in meinen Augen schrägen Argumentation (Zusammengefasst: Das Europaparlament hat eh' nichts zu sagen, also dürfen dort auch die abstrusesten Minderheiten rein!) ein Tor geöffnet hat.Genussmensch hat geschrieben:P.S. In Sachen 3-Prozent-Sperrklausel: An und für sich ist die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts konsequent. Jede Sperrklausel bedeutet einen massiven Eingriff in den Grundsatz der Gleichheit der Wahl. Ein solcher Eingriff bedarf von Verfassungs wegen der Rechtfertigung durch gewichtige Gründe. Hierzu zählt fraglos eine stabile Mehrheitsbildung in Parlamenten, die mit ihrer Mehrheit eine Regierung stützen. Genau daran fehlt es aber beim Europäischen Parlament. Dort gibt es keine Regierung, die auf stabile Mehrheiten angewiesen wäre. Ein Grund, weshalb gleichwohl die Gleichheit der Wahl beeinträchtigt werden sollte, ist hier nicht ohne Weiteres ersichtlich - anders als in den nationalen Parlamenten.
Gruß CT