CD der Woche: Dream Theater - Octavarium
Verfasst: Mi 25. Okt 2006, 15:02
Schon länger ist es an der Zeit, sich mit dem Thema Dream Theater zu beschäftigen. Eine viel diskutierte Band, geliebt von vielen Fans, aber längst nicht unumstritten, in der Presse und bei etlichen anderen Nörglern. Auch mein Verhältnis zur Band ist nicht frei von Zwiespalt. So richtig mögen lernte ich die Jungs, erst seit ihrem 1999 veröffentlichten Album "Metropolis Pt. II - Scenes from a Memory". Die Werke zuvor boten zwar durchaus Highlights, aber leider auch immer eine ordentliche Dosis Langeweile und Leerlauf.
Wer sind diese Burschen, die sich "Dream Theater" nennen? Zunächst wäre da Gitarrist John Petrucci. Ein Mann mit unglaublich ausgefeilter Technik. Oft unterstellt man ihm, völlig zu Unrecht, einen gewissen Mangel an Feeling. Der zweite Kopf der Band ist Drummer Mike Portnoy. Seine Künste an der Schiessbude sind durchaus beieindruckend, aber auch nicht frei von Kritik. Allerdings spielt er in letzter Zeit sehr songdienlich, was ihm nun auch wieder ankreiden will. Der Mann wird es mit seiner kantigen Art, nie allen Recht machen können. Den Bass bedient John Myung, ebenfalls ein Ausnahmekönner. Leider ist er auf den Alben, manchmal zu weit in den Hintergrund gemischt. Für den Gesang ist James LaBrie zuständig, gern von Fans und Kritikern gescholten. Als Sänger hat man es nicht leicht, wenn man mit übermächtigen Könnern zusammenarbeiten muss, und besonders der Drummer gern den Boss raushängen lassen. Wie dem auch sei, ich mag die Stimme des guten James, und halte ihn für den passenden Sänger. Keyboarder Jordan Rudess kam als letzter der aktuellen Besetzung an Bord. Für meinen Geschmack ein absoluter Glücksgriff. Keiner seiner Vorgänger passte so perfekt zum Traum Theater wie Rudess. Ein Freak der wunderbar mit mit Petrucci harmoniert.
Ein kompakter Abriss über den Werdegang der Band. Man startete unter dem Namen "Majesty", den man wieder ablegen musste, da die Rechte daran bereits vergeben waren. Nicht weiter tragisch, denn "Dream Theater" scheint mir weitaus passender zu sein. 1989 wurde das Debut "When Dream And Day unite" veröffentlicht. Ein durchaus vielversprechendes Album. Beinflusst von Vorbildern wie z.B. Rush und Queensryche. Die Produktion fiel leider ein wenig schwach aus. Die Stimme des damaligen Sängers Charlie Dominici, ist mit Sicherheit auch nicht für jeden Hörer eine Freude. Bereits auf dem folgenden Album "Images and Words", aus dem Jahre 1992, ist James LaBrie zu hören. Meiner Meinung nach eine gute Wahl, da sein Gesang vielschichtiger als der des Vorgängers ist. LaBrie ist, wie bereits geschreiben, durchaus nicht unumstritten. Ich mag seine Stimme, besonders dann, wenn er nicht versucht den fiesen Shouter raushängen zu lassen. Das können Andere besser. Mit "Images and Words" gelang der Band der internationale Durchbruch. Noch heute gilt dieses Album als Meilenstein des Prog Metal. Bei mir ist die Scheibe nie richtig angekommen. Die Produktion klingt mir zu sehr nach Plastik, die Songs langweilen mich teilweise. Besser fällt der Nachfolger "Awake" (1994) aus. Leider gibt es auch auf diesem Album, stellenweise noch kompositorischen Leerlauf. Immerhin lieferte der scheidende Keyboarder Kevin Moore, mit "Space-Dye Vest", eine kalte Götterballade oberster Güteklasse ab. Für mich der klare Höhepunkt des Werkes. 1997 versucht man mit "Falling into Infinity", eine noch grössere Hörerschaft zu erschliessen. Leider gibt auch auf dieser Scheibe einige Ausfälle zu vermelden. Derek Sherinian, der Nachfolger des ausgeschiedenen Keyboarders Kevin Moore, versucht neue Akzente zu setzen. Sein Stil harmonierte allerdings nicht sonderlich gut mit der übrigen Mannschaft. Erst mit Jordan Rudess, sollte die Band den für sich perfekten Tastendrücker finden. Diesen gibt es bereits auf dem nächsten Album: "Metropolis Pt. II - Scenes from a Memory" zu hören. Das Werk stellt für mich endlich den künstlerischen Durchbruch der Band dar. Die gelungene Balance zwischen Komposition und Frickeleien, eingebettet in ein erstklassiges Konzept. Von diesem Moment an, veröffentlichte die Band ausschliesslich sehr gelungene Alben. Das mögen einige Leser anders sehen, aber meine Meinung dazu ist in Granit gemeisselt.
Betrachten möchte ich das letztjährige Album der Band. "Octavarium" wurde zwar eher positiv aufgenommen, aber es gab durchaus auch etliche kritische Stimmen zu hören. Daher stellen die Ausführungen zum Album eine Diskussion zwischen dem "Nörgler", und dem "Sympathisant" dar.
Ich dürft mich übrigens für den "Sympathisant" halten...
Der Nörgler: Aha. Es geht mal wieder so los, wie es beim letzten Album geendet hat. Na toll. "The Root of all Evil". Ein weiteres Stück aus dem "Anti-Alkohol Zyklus" des Herrn Portnoy. Toll. Was können wir dafür, wenn das alte Lama früher zu viel gesoffen hat? Nach ungefähr einer Minute, wird das Stück zum vulgären Prog Metal. Langweilig. Was macht denn der LaBrie da? Will der Typ "evil" klingen? Pffffttt....
Der Sympathisant: Es ist inzwischen eine liebgewonnene Tradition, dass Dream Theater ihre Alben mit dem Ausklang des Vorgängers beginnen. So zieht sich ein roter Faden durch die Werke, auf denen man ja immer Verweise auf vergangene Alben findet. Was gibt es überhaupt am "Anti-Alkohol Zyklus", des Herrn Portnoy zu bemängeln? Er setzt sich mit dem Thema ernsthaft auseinander, und schreibt recht tiefgehende Lyrics darüber. Das findet meine volle Anerkennung! Musikalisch wird hier kein Neuland beschritten, aber wenn man dem Song einige Durchläufe gönnt, packt er den Hörer und lässt nicht mehr los. LaBrie ist hier stimmlich voll obenauf, wie übrigens auf dem gesamten Album. Ich nenne das einen sehr gelungenen Einstieg in das Album. Ein druckvoller, intensiver Prog Metal Song, der aber nie in Flachheiten verfällt. Klasse! Sehr angenehm fällt auf, dass hier nicht sinnfrei soliert wird, sondern die musikalischen Extravaganzen, sehr schön in den Song eingebettet sind.
Der Nörgler: Druckvoll? Die Produktion klingt wie an die Wand geklatscher Kartoffelbrei. Aber nun zum nächsten Machwerk. Eine Ballade. Oh weh. Eine Ballade von Dream Theater. Ausser "Space- Dye Vest", haben die noch nie eine gute Ballade auf die Kette gekriegt. Und das war bekanntlich ein Song von Kevin Moore, der längst nicht mehr an Bord ist. Aber nun zu "The Answer lies within". Was soll das denn sein? Der Kitsch trieft aus allen Poren. LaBrie schleimt uns voll, wie es Schlimmer kaum sein könnte. Dazu ein Text wie aus dem Handbuch für zweitklassige Schlager. Schrott!
Der Sympathisant: In der Tat könnte die Produktion des Albums etwas feingeistiger ausfallen. Ok, sie ist nicht perfekt, aber durchaus noch im grünen Bereich. "The Answer lies within" ist eine kleine, feine Ballade. Zugegeben, der Song schrammt hart am Kitsch vorbei, und der Text wird nicht den Nobelpreis für Literatur zugesprochen bekommen. Aber was solls? Muss es immer das ganz "grosse Kino" sein? Das hier ist einfach eine schöne Ballade. Unverkrampft und positiv.
Der Nörgler: Unverkrampft? Lassen wir das. "These Walls". Schon wieder so ein flacher Text. This is so hard for me... Für mich auch. Sie haben schon bessere Lyrics verbrochen, Herr Petrucci. Auch Musikalisch tut sich hier nicht viel. Der Song plätschert so dahin, der Refrain ödet mich sehr schnell an. Gäääähn...
Der Sympathisant: "These Walls" ist ein sehr vielschichtiger Song, der sich aber nur dem aufmerksamen Hörer erschliesst. Übrigens zeigt Herr Petrucci hier sehr gefühlvolle Gitarrenarbeit. Erneut ein Beweis, dass wir es nicht mit einem gefühlskalten Techniker zu tun haben. Die Keys von Jordan Rudess runden das Stück wundervoll ab. Kein Überwerk, aber ein schöner Rocksong mit einer ordentlichen Dosis Prog Metal.
Der Nörgler: Was ist nun los. Hatt Herr Portnoy sein Metronom nicht ausgeschaltet? Naja, er spielt ja ebenso präzise und ohne Gefühl. Aber was gibt es denn nun auf die Ohren? Dream Theater kopieren U2? Das geht so cremig in die Hose, wie drei Liter Federweißer mit Zwiebelkuchen. Und noch ein völlig flacher Text, quasi der dicke Haufen obendrauf. Herr, wirf Hirn vom Himmel.
Der Sympathisant: "I walk beside you" ist in der Tat "U2 lastig". Aber der Song macht Spass. Ich mag U2, habe sie aber noch nie derart ausgelassen gehört. Vielleicht sollten sich Bono und seine Vasallen, diesen Track mal intensiv zu Gemüte führen. Der Text ist simpel, aber sehr effektiv. Es muss nicht immer intellektuell verquastes Geschwalle sein. Die Lyrics packen den Hörer am Kragen und geben Hoffnung. Sowas braucht der Mensch ab und zu. Auch hier fällt wieder auf, wie geschlossen die Band auf diesem Album musiziert. Es wird nicht sinnfrei soliert, und wenn Soli gespielt werden, dann genau im richtigen Moment. Oder man hat den Mut, einfach mal auf Soli zu verzichten. Austoben können sich die Jungs im abschliessen Titeltrack. Aber da sind wir noch längst nicht angelangt.
Der Nörgler: "Panic Attack" steht nun auf dem Speiseplan. Zwar nicht so ein Dünnschiss wie der Song davor, aber auch weit davon entfernt, mich vor einer bald eintretenden, echten Panik Attacke zu bewahren. Wie lange muss ich mir diese Sülze noch anhören. Das Intro ist ja noch ganz nett, aber schon verfällt man in stumpfes Gebolze. Rudess quält seine Elektronik und Petrucci schrubbt rum. Das Portnoy nur mathematisch kloppt, ist ja sowieso längst bekannt. Skip...
Der Sympathisant: Ein kräftiger Tritt in den Arsch, diese "Panic Attack". Von stumpfen Gebolze meilenweit entfernt. Genau die richtige Dosis Energie zur richtigen Zeit. Portnoy kloppt nicht, wie unsinnigerweise behauptet, sondern spielt erneut sehr songdienlich, und treibt das Stück stetig vorwärts. Ein besonders Lob an LaBrie, der hier erneut seine Qualitäten als Sänger unter Beweis stellt. Nie klang der Mann besser als auf diesem Album! Diesmal wird auch musikalisch ordentlich vom Leder gezogen, aber die Jungs verlieren dabei nicht den Überblick. Überhaupt passt Rudess perfekt zur Band, kein Keyboarder vor ihm, klang so "rund" im Zusammenspiel mit Petrucci und dem Rest der Band.
Der Nörgler: Rudess? Ja, er passt perfekt zur Band. Tastenonanie ohne Tiefe oder Feeling. Aber kommen wir zu "Never enough". Was soll denn dieser Text bedeuten? Ist das eine Anklage gegen die Fans? Wohl den Verstand versoffen, Herr Portnoy? Wer hät Dich denn am Fressen, little Lama? Das sich musikalisch nicht viel tut, bedarf wohl keiner weiteren Ausführung...
Der Sympathisant: Hier geht es erneut recht heftig zur Sache. Ähnlich wie bei beim Song zuvor, wird auch bei "Never enough" ordentlich Gas gegeben, und die Burschen toben sich an ihren Instrumenten aus. Erneut schafft es LaBrie, mit tollem Gesang das Gebilde zusammenzuhalten. Über den Text kann man in der Tat streiten. Dazu würde ich gern eine Stellungnahme von Herrn Portnoy hören. Wobei ich glaube, sein Anliegen zu verstehen und es für nachvollziehbar halte.
Der Nörgler: Jetzt wird auf diesem Album erstmalig die zehn Minuten Grenze überschritten. "Sacrificed Sons" beginnt mit Sprachfetzen, ach wie kreativ, um dann ins Geschleime von LaBrie abzugleiten. Langeweile pur. Hohler Bombast im Refrain, ödes Geschwurbel bei den härteren Passagen. Fast volle elf Minuten kompositorische Leere.
Der Sympathisant: Jetzt hast Du aber völlig den Überblick verloren. "Sacrificed Sons" beginnt sehr getragen und stimmungsvoll. Der erste Höhepunkt mündet im tollen Refrain, der folgende Part stellt wundervoll die Fähigkeiten der Musiker zur Schau, ohne das dabei der Blick auf die Kompostion verloren geht. Ein toller Song, ruhig, bombastisch, dramatisch, zupackend und faszinierend. Hier ist das "grosse Kino", dargeboten in seiner besten Form. Aber der wahre Klimax soll noch folgen, in Form von...
Der Nörgler: ...einem völlig aufgeblasenen, grauenvollen Titeltrack, der den Hörer mit 24 Minuten totalem Vakuum in den Wahnsinn treibt. Hier wird aus fünf Jahrzehnten Rockmusik schamlos geklaut, und das ganze zu einem unverdaulichen, ekelhaften Brei vermengt. Wobei wir wieder beim Thema Stuhlgang wären. Ich hör mir das nicht länger an, sonst muss mein Hintern wirklich die Schüssel küssen...
Der Sympathisant: Was soll man zu dieser geballten Ansammlung Ignoranz noch sagen? Lasst euch nicht in die Irre führen. "Octavarium" ist ein grandioses Stück Musik. 24 Minuten pure Lust und Hörspass. Tatsächlich bedienen sich Dream Theater hier aus mehreren Jahrzehnten der Musikhistorie. Was Ignoranten als Diebstahl deklarieren möchten, ist in Wirklichkeit eine wundervolle Huldigung an etliche Künstler, denen die Jungs von Dream Theater hier ein Denkmal setzen. Da wäre zunächst das lange, sehr schöne Intro von Jordan Rudess, eine tiefe Verneigung vor Pink Floyds "Shine on you crazy Diamond". Man könnte nun ein nahezu unendliches Referat darüber schreiben, welche Zitate und Huldigungen in diesem Song enthalten sind. Aber an dieser Stelle möchte ich ausdrücklich dazu ermutigen, selbst auf Entdeckungsreise zu gehen. Der Song ist unglaublich abwechslungsreich, durchläuft etliche Stimmungen, eine wahre Tour de Force, durch die Historie des Progressive Rock und dessen Umfeld. Meine Lieblingspassagen sind das tolle Intro, der folgende Bandbombast, die Stelle ab Minute 12:16, wo Rudess plötzlich losjubiliert, wie Tony Banks zu den besten Zeiten der frühen Genesis. Oder der sich in Hysterie steigenderne Labrie: "Trapped inside this Octavarium, trapped inside this Octavarium..." Nicht zu vergessen das vor Bombast und Spielfreude überschäumende Finale. Ein tolle Reise durch die Rockgeschichte.
Mein Fazit: Ein abwechslungsreiches Album einer tollen Band. Manchmal liegt Stärke auch darin, nicht immer sofort alle Register zu ziehen, und einfach frech eine kleine Ballade einzustreuen, oder sich einen vermeintlich oberflächlichen Text zu erlauben. Respekt dafür. Weiter so, Jungs!
Der Nörgler: Bitteschön. Hier auch mein Fazit: Was haben eine Freikarte für Bahnfhofsklo und "Octavarium" gemeinsam? Beide sind für den Arsch!
Der Sympathisant: Ach, leck mich doch am Selbigen...
Weitere Empfehlungen:
Metropolis Pt. II - Scenes from a Memory (1999) - Damit konnten mich Dream Theater endlich überzeugen. Ein erstklassiges Konzeptalbum. Packende Story und erstklassige umgesetzt.
Six degrees of inner Turbulence (2002) - Ein gelungenes Doppelalbum. CD1 teil ungewöhnlich hart, CD2 mit einer fantastischen Suite. Zu Unrecht umstritten.
Train of Thought (2003) - Das härteste Album der Burschen. Zunächst fand ich es zu eintönig, inzwischen mag ich die Scheibe sehr.
Wer sind diese Burschen, die sich "Dream Theater" nennen? Zunächst wäre da Gitarrist John Petrucci. Ein Mann mit unglaublich ausgefeilter Technik. Oft unterstellt man ihm, völlig zu Unrecht, einen gewissen Mangel an Feeling. Der zweite Kopf der Band ist Drummer Mike Portnoy. Seine Künste an der Schiessbude sind durchaus beieindruckend, aber auch nicht frei von Kritik. Allerdings spielt er in letzter Zeit sehr songdienlich, was ihm nun auch wieder ankreiden will. Der Mann wird es mit seiner kantigen Art, nie allen Recht machen können. Den Bass bedient John Myung, ebenfalls ein Ausnahmekönner. Leider ist er auf den Alben, manchmal zu weit in den Hintergrund gemischt. Für den Gesang ist James LaBrie zuständig, gern von Fans und Kritikern gescholten. Als Sänger hat man es nicht leicht, wenn man mit übermächtigen Könnern zusammenarbeiten muss, und besonders der Drummer gern den Boss raushängen lassen. Wie dem auch sei, ich mag die Stimme des guten James, und halte ihn für den passenden Sänger. Keyboarder Jordan Rudess kam als letzter der aktuellen Besetzung an Bord. Für meinen Geschmack ein absoluter Glücksgriff. Keiner seiner Vorgänger passte so perfekt zum Traum Theater wie Rudess. Ein Freak der wunderbar mit mit Petrucci harmoniert.
Ein kompakter Abriss über den Werdegang der Band. Man startete unter dem Namen "Majesty", den man wieder ablegen musste, da die Rechte daran bereits vergeben waren. Nicht weiter tragisch, denn "Dream Theater" scheint mir weitaus passender zu sein. 1989 wurde das Debut "When Dream And Day unite" veröffentlicht. Ein durchaus vielversprechendes Album. Beinflusst von Vorbildern wie z.B. Rush und Queensryche. Die Produktion fiel leider ein wenig schwach aus. Die Stimme des damaligen Sängers Charlie Dominici, ist mit Sicherheit auch nicht für jeden Hörer eine Freude. Bereits auf dem folgenden Album "Images and Words", aus dem Jahre 1992, ist James LaBrie zu hören. Meiner Meinung nach eine gute Wahl, da sein Gesang vielschichtiger als der des Vorgängers ist. LaBrie ist, wie bereits geschreiben, durchaus nicht unumstritten. Ich mag seine Stimme, besonders dann, wenn er nicht versucht den fiesen Shouter raushängen zu lassen. Das können Andere besser. Mit "Images and Words" gelang der Band der internationale Durchbruch. Noch heute gilt dieses Album als Meilenstein des Prog Metal. Bei mir ist die Scheibe nie richtig angekommen. Die Produktion klingt mir zu sehr nach Plastik, die Songs langweilen mich teilweise. Besser fällt der Nachfolger "Awake" (1994) aus. Leider gibt es auch auf diesem Album, stellenweise noch kompositorischen Leerlauf. Immerhin lieferte der scheidende Keyboarder Kevin Moore, mit "Space-Dye Vest", eine kalte Götterballade oberster Güteklasse ab. Für mich der klare Höhepunkt des Werkes. 1997 versucht man mit "Falling into Infinity", eine noch grössere Hörerschaft zu erschliessen. Leider gibt auch auf dieser Scheibe einige Ausfälle zu vermelden. Derek Sherinian, der Nachfolger des ausgeschiedenen Keyboarders Kevin Moore, versucht neue Akzente zu setzen. Sein Stil harmonierte allerdings nicht sonderlich gut mit der übrigen Mannschaft. Erst mit Jordan Rudess, sollte die Band den für sich perfekten Tastendrücker finden. Diesen gibt es bereits auf dem nächsten Album: "Metropolis Pt. II - Scenes from a Memory" zu hören. Das Werk stellt für mich endlich den künstlerischen Durchbruch der Band dar. Die gelungene Balance zwischen Komposition und Frickeleien, eingebettet in ein erstklassiges Konzept. Von diesem Moment an, veröffentlichte die Band ausschliesslich sehr gelungene Alben. Das mögen einige Leser anders sehen, aber meine Meinung dazu ist in Granit gemeisselt.

Betrachten möchte ich das letztjährige Album der Band. "Octavarium" wurde zwar eher positiv aufgenommen, aber es gab durchaus auch etliche kritische Stimmen zu hören. Daher stellen die Ausführungen zum Album eine Diskussion zwischen dem "Nörgler", und dem "Sympathisant" dar.
Ich dürft mich übrigens für den "Sympathisant" halten...
Der Nörgler: Aha. Es geht mal wieder so los, wie es beim letzten Album geendet hat. Na toll. "The Root of all Evil". Ein weiteres Stück aus dem "Anti-Alkohol Zyklus" des Herrn Portnoy. Toll. Was können wir dafür, wenn das alte Lama früher zu viel gesoffen hat? Nach ungefähr einer Minute, wird das Stück zum vulgären Prog Metal. Langweilig. Was macht denn der LaBrie da? Will der Typ "evil" klingen? Pffffttt....
Der Sympathisant: Es ist inzwischen eine liebgewonnene Tradition, dass Dream Theater ihre Alben mit dem Ausklang des Vorgängers beginnen. So zieht sich ein roter Faden durch die Werke, auf denen man ja immer Verweise auf vergangene Alben findet. Was gibt es überhaupt am "Anti-Alkohol Zyklus", des Herrn Portnoy zu bemängeln? Er setzt sich mit dem Thema ernsthaft auseinander, und schreibt recht tiefgehende Lyrics darüber. Das findet meine volle Anerkennung! Musikalisch wird hier kein Neuland beschritten, aber wenn man dem Song einige Durchläufe gönnt, packt er den Hörer und lässt nicht mehr los. LaBrie ist hier stimmlich voll obenauf, wie übrigens auf dem gesamten Album. Ich nenne das einen sehr gelungenen Einstieg in das Album. Ein druckvoller, intensiver Prog Metal Song, der aber nie in Flachheiten verfällt. Klasse! Sehr angenehm fällt auf, dass hier nicht sinnfrei soliert wird, sondern die musikalischen Extravaganzen, sehr schön in den Song eingebettet sind.
Der Nörgler: Druckvoll? Die Produktion klingt wie an die Wand geklatscher Kartoffelbrei. Aber nun zum nächsten Machwerk. Eine Ballade. Oh weh. Eine Ballade von Dream Theater. Ausser "Space- Dye Vest", haben die noch nie eine gute Ballade auf die Kette gekriegt. Und das war bekanntlich ein Song von Kevin Moore, der längst nicht mehr an Bord ist. Aber nun zu "The Answer lies within". Was soll das denn sein? Der Kitsch trieft aus allen Poren. LaBrie schleimt uns voll, wie es Schlimmer kaum sein könnte. Dazu ein Text wie aus dem Handbuch für zweitklassige Schlager. Schrott!
Der Sympathisant: In der Tat könnte die Produktion des Albums etwas feingeistiger ausfallen. Ok, sie ist nicht perfekt, aber durchaus noch im grünen Bereich. "The Answer lies within" ist eine kleine, feine Ballade. Zugegeben, der Song schrammt hart am Kitsch vorbei, und der Text wird nicht den Nobelpreis für Literatur zugesprochen bekommen. Aber was solls? Muss es immer das ganz "grosse Kino" sein? Das hier ist einfach eine schöne Ballade. Unverkrampft und positiv.
Der Nörgler: Unverkrampft? Lassen wir das. "These Walls". Schon wieder so ein flacher Text. This is so hard for me... Für mich auch. Sie haben schon bessere Lyrics verbrochen, Herr Petrucci. Auch Musikalisch tut sich hier nicht viel. Der Song plätschert so dahin, der Refrain ödet mich sehr schnell an. Gäääähn...
Der Sympathisant: "These Walls" ist ein sehr vielschichtiger Song, der sich aber nur dem aufmerksamen Hörer erschliesst. Übrigens zeigt Herr Petrucci hier sehr gefühlvolle Gitarrenarbeit. Erneut ein Beweis, dass wir es nicht mit einem gefühlskalten Techniker zu tun haben. Die Keys von Jordan Rudess runden das Stück wundervoll ab. Kein Überwerk, aber ein schöner Rocksong mit einer ordentlichen Dosis Prog Metal.
Der Nörgler: Was ist nun los. Hatt Herr Portnoy sein Metronom nicht ausgeschaltet? Naja, er spielt ja ebenso präzise und ohne Gefühl. Aber was gibt es denn nun auf die Ohren? Dream Theater kopieren U2? Das geht so cremig in die Hose, wie drei Liter Federweißer mit Zwiebelkuchen. Und noch ein völlig flacher Text, quasi der dicke Haufen obendrauf. Herr, wirf Hirn vom Himmel.
Der Sympathisant: "I walk beside you" ist in der Tat "U2 lastig". Aber der Song macht Spass. Ich mag U2, habe sie aber noch nie derart ausgelassen gehört. Vielleicht sollten sich Bono und seine Vasallen, diesen Track mal intensiv zu Gemüte führen. Der Text ist simpel, aber sehr effektiv. Es muss nicht immer intellektuell verquastes Geschwalle sein. Die Lyrics packen den Hörer am Kragen und geben Hoffnung. Sowas braucht der Mensch ab und zu. Auch hier fällt wieder auf, wie geschlossen die Band auf diesem Album musiziert. Es wird nicht sinnfrei soliert, und wenn Soli gespielt werden, dann genau im richtigen Moment. Oder man hat den Mut, einfach mal auf Soli zu verzichten. Austoben können sich die Jungs im abschliessen Titeltrack. Aber da sind wir noch längst nicht angelangt.
Der Nörgler: "Panic Attack" steht nun auf dem Speiseplan. Zwar nicht so ein Dünnschiss wie der Song davor, aber auch weit davon entfernt, mich vor einer bald eintretenden, echten Panik Attacke zu bewahren. Wie lange muss ich mir diese Sülze noch anhören. Das Intro ist ja noch ganz nett, aber schon verfällt man in stumpfes Gebolze. Rudess quält seine Elektronik und Petrucci schrubbt rum. Das Portnoy nur mathematisch kloppt, ist ja sowieso längst bekannt. Skip...
Der Sympathisant: Ein kräftiger Tritt in den Arsch, diese "Panic Attack". Von stumpfen Gebolze meilenweit entfernt. Genau die richtige Dosis Energie zur richtigen Zeit. Portnoy kloppt nicht, wie unsinnigerweise behauptet, sondern spielt erneut sehr songdienlich, und treibt das Stück stetig vorwärts. Ein besonders Lob an LaBrie, der hier erneut seine Qualitäten als Sänger unter Beweis stellt. Nie klang der Mann besser als auf diesem Album! Diesmal wird auch musikalisch ordentlich vom Leder gezogen, aber die Jungs verlieren dabei nicht den Überblick. Überhaupt passt Rudess perfekt zur Band, kein Keyboarder vor ihm, klang so "rund" im Zusammenspiel mit Petrucci und dem Rest der Band.
Der Nörgler: Rudess? Ja, er passt perfekt zur Band. Tastenonanie ohne Tiefe oder Feeling. Aber kommen wir zu "Never enough". Was soll denn dieser Text bedeuten? Ist das eine Anklage gegen die Fans? Wohl den Verstand versoffen, Herr Portnoy? Wer hät Dich denn am Fressen, little Lama? Das sich musikalisch nicht viel tut, bedarf wohl keiner weiteren Ausführung...
Der Sympathisant: Hier geht es erneut recht heftig zur Sache. Ähnlich wie bei beim Song zuvor, wird auch bei "Never enough" ordentlich Gas gegeben, und die Burschen toben sich an ihren Instrumenten aus. Erneut schafft es LaBrie, mit tollem Gesang das Gebilde zusammenzuhalten. Über den Text kann man in der Tat streiten. Dazu würde ich gern eine Stellungnahme von Herrn Portnoy hören. Wobei ich glaube, sein Anliegen zu verstehen und es für nachvollziehbar halte.
Der Nörgler: Jetzt wird auf diesem Album erstmalig die zehn Minuten Grenze überschritten. "Sacrificed Sons" beginnt mit Sprachfetzen, ach wie kreativ, um dann ins Geschleime von LaBrie abzugleiten. Langeweile pur. Hohler Bombast im Refrain, ödes Geschwurbel bei den härteren Passagen. Fast volle elf Minuten kompositorische Leere.
Der Sympathisant: Jetzt hast Du aber völlig den Überblick verloren. "Sacrificed Sons" beginnt sehr getragen und stimmungsvoll. Der erste Höhepunkt mündet im tollen Refrain, der folgende Part stellt wundervoll die Fähigkeiten der Musiker zur Schau, ohne das dabei der Blick auf die Kompostion verloren geht. Ein toller Song, ruhig, bombastisch, dramatisch, zupackend und faszinierend. Hier ist das "grosse Kino", dargeboten in seiner besten Form. Aber der wahre Klimax soll noch folgen, in Form von...
Der Nörgler: ...einem völlig aufgeblasenen, grauenvollen Titeltrack, der den Hörer mit 24 Minuten totalem Vakuum in den Wahnsinn treibt. Hier wird aus fünf Jahrzehnten Rockmusik schamlos geklaut, und das ganze zu einem unverdaulichen, ekelhaften Brei vermengt. Wobei wir wieder beim Thema Stuhlgang wären. Ich hör mir das nicht länger an, sonst muss mein Hintern wirklich die Schüssel küssen...
Der Sympathisant: Was soll man zu dieser geballten Ansammlung Ignoranz noch sagen? Lasst euch nicht in die Irre führen. "Octavarium" ist ein grandioses Stück Musik. 24 Minuten pure Lust und Hörspass. Tatsächlich bedienen sich Dream Theater hier aus mehreren Jahrzehnten der Musikhistorie. Was Ignoranten als Diebstahl deklarieren möchten, ist in Wirklichkeit eine wundervolle Huldigung an etliche Künstler, denen die Jungs von Dream Theater hier ein Denkmal setzen. Da wäre zunächst das lange, sehr schöne Intro von Jordan Rudess, eine tiefe Verneigung vor Pink Floyds "Shine on you crazy Diamond". Man könnte nun ein nahezu unendliches Referat darüber schreiben, welche Zitate und Huldigungen in diesem Song enthalten sind. Aber an dieser Stelle möchte ich ausdrücklich dazu ermutigen, selbst auf Entdeckungsreise zu gehen. Der Song ist unglaublich abwechslungsreich, durchläuft etliche Stimmungen, eine wahre Tour de Force, durch die Historie des Progressive Rock und dessen Umfeld. Meine Lieblingspassagen sind das tolle Intro, der folgende Bandbombast, die Stelle ab Minute 12:16, wo Rudess plötzlich losjubiliert, wie Tony Banks zu den besten Zeiten der frühen Genesis. Oder der sich in Hysterie steigenderne Labrie: "Trapped inside this Octavarium, trapped inside this Octavarium..." Nicht zu vergessen das vor Bombast und Spielfreude überschäumende Finale. Ein tolle Reise durch die Rockgeschichte.
Mein Fazit: Ein abwechslungsreiches Album einer tollen Band. Manchmal liegt Stärke auch darin, nicht immer sofort alle Register zu ziehen, und einfach frech eine kleine Ballade einzustreuen, oder sich einen vermeintlich oberflächlichen Text zu erlauben. Respekt dafür. Weiter so, Jungs!
Der Nörgler: Bitteschön. Hier auch mein Fazit: Was haben eine Freikarte für Bahnfhofsklo und "Octavarium" gemeinsam? Beide sind für den Arsch!
Der Sympathisant: Ach, leck mich doch am Selbigen...
Weitere Empfehlungen:
Metropolis Pt. II - Scenes from a Memory (1999) - Damit konnten mich Dream Theater endlich überzeugen. Ein erstklassiges Konzeptalbum. Packende Story und erstklassige umgesetzt.
Six degrees of inner Turbulence (2002) - Ein gelungenes Doppelalbum. CD1 teil ungewöhnlich hart, CD2 mit einer fantastischen Suite. Zu Unrecht umstritten.
Train of Thought (2003) - Das härteste Album der Burschen. Zunächst fand ich es zu eintönig, inzwischen mag ich die Scheibe sehr.