aaof hat geschrieben:Blühnde Landschaften wurden versprochen. Wenn ich Freitag oder Sonntag auf der A4 fahre, werde ich mir immer wieder bewußt, dass wir zum Teil betrogen wurden. Meine Heimat ist mir genommen wurden.
Hierzu noch ein kurzes Wort: Was Du schreibst, unterstellt ein planvolles Vorgehen dahingehend, den Osten platt zu machen. Bei allem was schief gelaufen ist, möchte ich das keinem unterstellen. Meinem Eindruck nach sind die westdeutschen Politiker 1989 von der Entwicklung genauso überrascht worden, wie alle anderen auch. Ich glaube nicht, dass irgendjemand einen fertigen Plan in der Tasche hatte, wie die Vereinigung abzuwickeln ist. Also war das größtenteils improvisiert. Vermutlich sind die handelnden Personen in gewisser Weise auf die DDR-Propaganda von der zehntgrößten Volkswirtschaft der Welt hereingefallen und haben die Leistungsfähigkeit der DDR-Wirtschaft über- und den Verfall unterschätzt. Wahrscheinlich war auch nicht bekannt, dass wir Exporte in den Westen teilweise unter Einstandspreis abgewickelt haben, nur um an Devisen zu kommen. Die negativen Begleiterscheinungen, die Du schilderst - Raubritter und Goldgräber aus dem Westen; Ossis, die sich einen Monat nach dem Austritt aus der SED plötzlich als Superkapitalisten aufspielen, hohe Arbeitslosigkeit - waren meines Erachtens kaum vollständig vermeidbar.
Sag mir eine Alternative.
Hätte man die Vereinigung langsamer und behutsamer abwickeln können? Ich glaube nicht. Zum einen gab es ein außenpolitisches Zeitfenster - was wäre gewesen, wenn wir zum Zeitpunkt des Putsches in Russland 1991 noch nicht durch gewesen wären? Zum anderen war die Stimmung unter uns Ostdeutschen so, dass man "den Westen" so schnell wie möglich "haben" wollte. Alle, die für ein Innehalten und Nachdenken plädiert haben, wurden doch nur noch angepöbelt und verunglimpft.
Ich war 1989 18 Jahre alt, habe 1990 Abi gemacht - in Karl-Marx-Stadt/Chemnitz. Ich komme aus der kirchlichen Ecke, war ein bisschen mit den kirchlichen Umweltgruppen und dem Neuen Forum aktiv. Später bei den Jusos. Heute wähle ich grün. Das nur zur Einordnung. Als ich damals im Wahlkampf 1990 Handzettel für die SPD verteilt habe, musste ich mich von Lehrern meiner Schule, die noch wenige Wochen zuvor Mitglieder der SED waren, kritisieren lassen. Die etwas vernünftigeren haben mich gefragt, ob ich es nicht für ein wirtschaftliches Risiko halte, wenn ich die Partner-Partei des Vereinigungsgegners Lafontaine wähle. Die etwas einfacher gestrickten haben einfach gesagt, dass sie mit den ganzen "Roten" nichts mehr zu tun haben wollen. Kohl hat uns damals übrigens vor mehr als 100.000 johlenden Leuten als "linke Spinner" bezeichnet, als sich hinter ihm von einem Hochhaus ein Plakat mit einer Birne drauf entrollte. Auch nett. Witzig übrigens, dass die alle gemeint haben, ich hätte einen Linksruck gemacht. Dabei haben die gar nicht realisiert, welchen Rechtsruck sie selbst gemacht hatten.
Gruß CT